Wohnimmobilien haben in den vergangenen Jahren in Österreich eine außergewöhnliche Nachfrage erfahren. Dies führte zu teils enormen Preissteigerungen. Laut der Österreichischen Nationalbank (OeNB) sind die heimischen Immobilienpreise seit 2010 um 199 Prozent gestiegen. Die Corona-Krise hat dieses Wachstum noch einmal befeuert. Allein vom vierten Quartal 2020 bis zum vierten Quartal 2021 stiegen sie um historische 12,6 Prozent. Im europäischen Vergleich werden in Österreich überdurchschnittliche Steigerungen beobachtet.
Auf österreichische Wohnungskäufer und Häuslbauer kommen nun aber bedeutende Änderungen hinzu. So werden die Zügel bei Immobilienkrediten deutlich angezogen. Ab Juli 2022 sind 20 Prozent des Kaufpreises inklusive Nebenkosten in Form von Eigenkapital Pflicht. Zudem darf die Kreditrate nicht 40 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens übersteigen. Zuletzt ist es nicht mehr möglich, einen Kredit abzuschließen, der eine längere Laufzeit als 35 Jahre aufweist. Banken soll bei der Kreditvergabe ein kleiner Spielraum aber weiterhin möglich sein.
Durch diesen Maßnahmenkatalog, der vom Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) der OeNB beschlossen wurde, soll das Wachstum des heimischen Immobilienmarktes entschleunigt werden. Zugleich wird vonseiten der OeNB darauf hingewiesen, dass es keine Immobilienblase gibt und der Markt stabil sei. Allerdings betont die heimische Nationalbank auch, dass sich die Preisentwicklung für Immobilien von der Lohnentwicklung entkoppelt hat. Man befolge nun die Empfehlungen des Europäischen Rats für Systemrisiken (ESRB), der 2010 als Reaktion auf die Finanzkrise gegründet wurde.
Bei der Vergleichsplattform Durchblicker geht man davon aus, dass mehr als jeder dritte Wohnungskäufer und Häuslbauer in Österreich unter den neuen Bedingungen ab Juli 2022 keinen Kredit mehr bekommen wird. Aufgrund dessen wird empfohlen, bis Ende Juni 2022 die Finanzierung der Immobilie abzuschließen. Nicht zuletzt aufgrund der möglichen Steigerung der Zinsen – aktuell liegen diese noch auf einem historisch niedrigen Niveau. Einen variablen Kredit gibt es etwa ab 0,375 Prozent und einen fixverzinsten ab 1,85 Prozent.
Allerdings zeichnet sich eine Zinswende bei Immobilienkrediten ab, wie auch die Wohnbau-Finanz-Experten von Infina kürzlich betonten. Hintergrund hierfür ist die erwartete Erhöhung der Leitzinsen der Europäischen Zentralbank, um die gegenwärtige Inflation in den Griff zu bekommen. In Österreich und Deutschland liegt diese aktuell (Stand April 2022) bei mehr als sieben Prozent. In den USA liegt diese bei mehr als acht Prozent (Stand April 2022) – hier wird eine Erhöhung der Leitzinsen auf bis zu einem Prozent erwartet. In weiterer Folge dürften auch die Kreditzinsen steigen.
Der Immobilienmarkt hat in Österreich ein äußerst starkes Wachstum erlebt. Trotz Corona-Krise konnte etwa 2021 ein historisches Rekordjahr vollzogen werden. Um den Markt zu entschleunigen, wird es vonseiten der OeNB ab Juli 2022 strengere Richtlinien für Kredite geben. Auch die vielfach erwarteten höheren Zinsen werden dafür sorgen, dass es Wohnungskäufer und Häuslbauer schwerer haben werden, Kapital für ihr Vorhaben vonseiten der Bank aufzutreiben. Welche Auswirkungen dem heimischen Immobilienmarkt bevorstehen, lässt sich noch nicht abschätzen. Die OeNB betont aber, dass dieser stabil ist.